Digitale Medien und Bildpolitik im russischen Krieg gegen die Ukraine
Die englischsprachige Konferenz Digital War: Media, Visual Politics and Crowdsourcing in the Russian War against Ukraine nimmt den digitalen Krieg auf Sozialen Medien und Online-Plattformen, der seit dem 18. Januar 2022 den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begleitet, zum Anlass, um Diagnosen zur digitalen Gesellschaft und ihrem Verhältnis zu Krieg, Gewalt und Macht kritisch-reflektierend zu sondieren.
In seinem 2022 veröffentlichten Buch Radical War: Data, Attention and Control in the 21st Century vertritt der auch zur Wiener Konferenz eingeladene Soziologe und Politikberater Matthew Ford die These, dass der russische Krieg in der Ukraine der erste Krieg zweier Staaten in Europa sei, der beinahe vollständig durch digitale Technologien vermittelt werde und die Grenzen zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung verwischen würde.
Die Kriegsführung auf sozialen Medien und Online-Plattformen hat eine neue Art der Mediatisierung des Krieges eingeleitet: im digitalen Information Warfare dominiert ein andauernder Strom von Bildern, ein War Feed, der mit Newsfeed, Abonnentenprinzip und Hash-Tagging globalisierte Kommunikationsräume schafft.
Der digitale Krieg der Gegenwart ist auch ein Crowdsourcing-Krieg. Die ukrainische Zivilgesellschaft nutzt ihre Smartphones zur Dokumentation von Kriegsverbrechen und Kriegsschäden. Kampfhandlungen, Zerstörung, Kriegsverbrechen, Gewalt und Genozid werden aufgezeichnet, gespeichert und verbreitet. In einer neuen Ära der digitalen Zeitzeugenschaft sammelt sie audiovisuelles Material, um Quellen für spätere Kriegsverbrechertribunale bereitzustellen. Diese neuen Formen von digitaler Beteiligung, Online-Dokumentation und Web-Archivierung durch Mediennutzer/innen und Medienanbieter schaffen neue methodische und empirische Herausforderungen für die Quellenauswertung der digitalen Forensik, der Rechtsprechung und der kollektiven Erinnerung.
Am 24. und 25. Oktober wird die Angewandte in Wien zum Kompetenzzentrum für die Analyse der medialen Konstruktion des russischen Invasionskrieges in der Ukraine: Forscher/innen, aus den Bereichen der Politikwissenschaft, Soziologie, Osteuropaforschung, Bildtheorie, Geschichtswissenschaft, Kunsttheorie, Medienwissenschaft, Computerlinguistik und Kommunikationswissenschaft analysieren gemeinsam mit Kurator/innen und Künstler/innen diskursive, visuelle und technischinfrastrukturelle Rahmungen, Kontexte und Dispositive, die im digitalen Krieg eingesetzt werden. Vor diesem theoretischen Hintergrund werden die medialen Register, die Bildreferenzen, die Zitate und die geschichtlichen Bezüge der Inszenierungen des Krieges in der Ukraine dekonstruiert: u.a. die Inszenierung des russischen Angriffs als „sauberer Blitzkrieg“, die Rhetorik der visuellen „Aufrüstung“, die Bildpolitik der Dehumanisierung. Die internationale Konferenz wird vom 24. bis 25. Oktober 2023 im Auditorium an der Universität für angewandte Kunst in Wien stattfinden und versammelt 16 renommierte Wissenschaftler/innen, Künstler/innen und Kurator/innen.
Das Forschungsergebnis der Konferenz ist um Nachhaltigkeit bemüht und umfasst eine Webseite, eine Publikation und ein Bildrepositorium zur Stärkung von digitaler Kompetenz und Resilienz.